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Herbstspaziergang

 

aus einer Mail an jemand Besonderen ...

 

"Es geht gerade nicht so mit dem Schreiben in eine positiven Richtung.

Heute Nachmittag waren es nur schmerzvolle Gedichte.

 

Aber - ... ich bin heute Nachmittag eine Runde durch die Felder gegangen, mir ging es nicht gut ...

 

... Habe dann irgendwann den Himmel bewundert,

... den Krähen zugehört, die eine so eigene fast zärtliche Sprache haben können,

... SO sehr um die Wildschweine gebangt, die gerade bejagt wurden (aber zum Glück keinen Schuss gehört, es hätte mir das Herz zerrissen),

... den Raubvogel hoch oben laut rufen hören,

... ein Wildschwein im anderen Maisfeld ganz nah bei mir grunzen hören - und hatte es wirklich schon vorher "gespürt",

... mit einer netten älteren Frau mit schönen Augen geredet und ihr ein Kompliment gemacht,

... zugesehen, wie eine moppelige entfleuchte Hausgans auf einer riesigen grünen Graswiese von zwei jungen Mädchen mit einem Kescher eingefangen wurde (hatte nachgefragt- einer Schlachtgans hätte ich das Entkommen gewünscht),

... die Wolkenberge bewundert, die aus dem blauen Himmel nach oben wachsen - und auch das wunderschöne Licht, das darauf lag,

... dem Haflinger mit der besonders schönen Mähne aus der Ferne etwas erzählt- und er hat ganz aufmerksam zugehört und kam bis zu mir hin.

...

Jetzt geht es etwas besser.

 

17.9.2017

Wie anrührend:

Im langsamen Vorbeifahren sehe ich auf dem Bürgersteig neben mir ein ungleiches Paar- ein Mann mittleren Alters und eine alte Dame, die bestimmt schon über 90 Jahre alt ist.

 

Sie geht total gebückt, mit krummem Rücken und in ungleichmäßigen Schritten …. aber SO schnell und energisch, dass sie ihren sie stützenden Begleiter regelrecht hinter sich herzieht …

Liebe alte Dame, ich bewundere Sie!

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In meiner ersten eigenen Wohnung.

 

Ich sitze auf meinem Sofa und schaue

hinaus in die Winterwelt hinter meinem

Balkon. Rasen und Birken, weiß bestäubt.

Ein Rotkehlchen setzt sich auf die seitliche

Brüstung des Balkons – und ich sehe kleine

feine Atemwölkchen vor seinem Schnabel

in gleichmäßigem Rhythmus erscheinen

und vergehen.

 

So ein kleines wertvolles Leben!

Im Auto auf der Linksabbiegerspur an der roten Ampel:

 

Neben mir hält ein Wagen mit männlichem Fahrer.

Ich sehe die Rückablage und darauf eine wunderschöne einzelne dunkelrote Rose.

So gerne würde ich wissen, wer diese Rose bekommen wird ...

Mir fallen so viele Geschichten ein, wie es weitergehen könnte mit der Rose,

dass ich einen ganzen Film daraus drehen könnte.

Aber: Ich werde nie erfahren, wie es weiterging- dabei bin ich SOOOO neugierig.

Aus einer Zeit, als es in der Regel Züge gab mit Abteilen, in jedem Platz für sechs Menschen

 

Reisebekanntschaft

 

„Noch zehn Minuten bis München!“ gab der Zugschaffner mit lauter Stimme bekannt und schloss dann mit energischem Ruck die Tür des Abteils wieder hinter sich.

 

Sie schlug das kaum gelesene Buch auf ihren Knien zu und steckte es in ihre Tasche. Dann streckte sie sich kurz und lehnte sich in ihren Sitz zurück. Ihr Blick schweifte aus dem Fenster. Felder, Wiesen, ab und zu ein paar einsame Häuser. Kein Mensch war zu sehen. Uninteressant. Sie blickte wieder geradeaus, sah genauer hin.

 

Abschätzend und kritisch musterte sie das Gesicht ihr gegenüber.

Nein, kein Gesicht, das sofort Sympathien weckte. Dazu blickten die viel zu dunklen Augen zu kühl, zu abweisend. Die scharfen Falten an den Mundwinkeln störten, ließen es kritisch und sogar ein wenig leidend erscheinen. Nein, dieses Gesicht sprach sie nicht an.

 

Intensiver vertiefte sie sich in seine Falten, überlegte, was es wohl von seiner Besitzerin, von deren bisherigem Leben offenbaren mochte …

Auf Anhieb zunächst einmal gar nichts. Es war ein beherrschtes, kontrolliertes Gesicht, eher angespannt als entspannt. Ein schmales Gesicht, nicht hässlich, aber auch nicht hübsch. Eher unauffällig und nichtssagend. Ja, nichtssagend!

 

Etwa fünfzig Jahre hatten diese Augen vor ihr wohl nicht nur Erfreuliches gesehen. Wie war ihr Leben verlaufen? Sah man die Spuren der Freude, der Verzweiflung, des gemeinsamen Lachens wie der Einsamkeit? Zwei tiefe Falten über der Nasenwurzel, einige waren auf der Stirn zu erkennen. Zeichen des Ärgers, des Zorns oder der Sorge?

Aber auch Fältchen neben den Augen, die von Lächeln und von herzhaftem Lachen zeugten.

 

Hatte es sich für sie gelohnt, dieses Leben? War es erfüllt, wirklich lebendig, oder nur abgelaufen in vorgezeichneten Geleisen, die es zu verfolgen galt, ohne die Richtung zu hinterfragen. Weil sie eben da waren.

Das Gesicht ihr gegenüber offenbarte nichts. Ohne Ausdruck blickten die Augen sie an, abschätzend, kritisch.

 

Oder war da doch ein Funkeln auf ihrem Grund? Ein kleines, selbst-ironisches, amüsiertes Glitzern? Auf einmal blinzelte ein Auge ihr leicht zu. Die Mundwinkel ihr gegenüber verzogen sich zu einem winzigen, kleinen Lächeln. Ganz anders wirkte das Gesicht nun, wirkte lebendiger, wärmer, ja geradezu ein wenig sympathisch.

Noch weiter veränderte es sich, lächelte sie an mit fast freundlichen Augen, ließ Distanz schmelzen, stellte Verbundenheit her.

 

Doch, sie mochte dieses Gesicht, so entschied sie für sich. Dieses Gesicht, das ihr nun mit lächelnden Augen und einem Hochziehen der Augenbrauen sogar einen Luftkuss zuwarf, bevor es sich abwandte, bevor sie ihren Blick vom Spiegel gegenüber löste und aufstand, um sich zum Aussteigen bereit zu machen.

 

(ca. 2005 ?)

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